Tofutussis – Crowdfunding mit Soja

Die Markthalle IX in der Kreuzberger Eisenbahnstraße ist einer der Orte, die mit dazu beigetragen haben, dass regional produzierte Lebensmittel nicht nur als ökologisch, sondern auch als als hip gelten.

Beim monatlichen Streetfood Thursday treten sich die Besucher gegenseitig auf die Füsse, eine Veranstaltung wie die Käsemesse Cheese Berlin sammelt knapp 6.000 Zusagen auf Facebook ein.

„Ein Anliegen der Markthalle IX ist es ja auch, die Lebensmittelproduktion wieder zurück in die Stadt zu holen. Deshalb passen wir hier hervorragend hin.“

IMG_2186

Die Tofu Tussis residieren im Keller des 1891 erbauten Gebäudes mit 3500 qm Grundfläche. Über eine Treppe in der Mitte der Halle geht es nach unten, ein paar mal um die Ecke und schliesslich in die Produktionsräume von Elena Grimm und Franzi Schauren.

Es ist kühl dort unten, was sich aber an den Produktionstagen drastisch ändert: Die großen Kessel hüllen die Küche regelmäßig in heißen Dampf. Statt in Winterjacke am Schreibtisch, wie heute, heisst es dann im T-Shirt in der Küche stehen.

It’s a long way to Kreuzberg

Bis die beiden die Räume gefunden und von einem Kellerverschlag ohne Strom- und Wasseranschluss in eine Gewerbeküche verwandelt haben, hat es allerdings eine Weile gebraucht.

IMG_2184

Gestartet sind Franziska und Elena auf der anderen Seite der Spree, in Friedrichshain. Dort hatten Sie sich für die Produktion in einer Marmeladenmanufaktur eingemietet. Die wurde allerdings schnell zu klein – denn „dafür, dass wir das beide zunächst nebenberuflich gemacht haben, sind wir recht schnell gewachsen.“ So ging die Suche nach Räumen mit genügend Platz und  entsprechender Ausstattung los:

„Wir brauchten größere Maschinen und Kochkessel, und einen eigenen Raum. Das ist natürlich nicht leicht zu finden, mit bezahlbarer Miete und in der Innenstadt. Ausserdem ist der Ausbau für eine Gewerbeküche sehr aufwändig und teuer, wegen der ganzen lebensmittelrechtlichen Vorschriften.“

Der Kontakt zur Markthalle bestand bereits – „Hier kennt ja irgendwie jeder jeden“. Aber der Ausbau der angebotenen Kellerräume schien zunächst zu aufwändig und teuer. Aber die Suche nach bereits fertigen Küchenräumen stellte sich ebenfalls als schwerer als gedacht heraus: Selbst weit draussen am Stadtrand waren gab es bei allen bezahlbaren Optionen wieder Einwände vom Gesundheitsamt wegen der Lebensmittelhygiene, selbst wenn dort vorher schon Lebensmittel produziert worden waren.

Am Ende landeten Franziska und Elena doch wieder in der Markthalle – und sind ganz froh, dass es mit der Küche ganz ab vom Schuss doch nicht geklappt hat. Denn die Markthalle ist mitten im Kiez – und bei ihren Kunden.

Der Keller und die Kohle

„Das hier waren allerdings tatsächlich ganz rohe Kellerräume. Hier im Büroraum gab es Strom, aber in der Küche musste der erst gelegt werden, genauso wie Wasser.  Wir brauchten neue Fenster in der Küche. Es war Wahnsinn, was da alles zusammenkam.“

Die Ersparnisse steckten bereits in der Firma – sowohl finanziell als auch was den handwerklichen Aufwand anging, war der Ausbau ein riesiges Projekt für das junge Unternehmen.

Die Lösung: eine Crowdfunding-Kampagne und viel handwerkliche Hilfe von Freunden.

Innerhalb eines Monats stand die Kampagne bei Indiegogo. Eine befreundete Graphikerin und eine Social-Media-Managerin produzierten ein Video und brachten die Aktion ins Rollen.

Im Juli 2015, nach drei Monaten Bauzeit, konnte die neue Tofumanufaktur im Keller bezogen werden.

IMG_2172

Die Tofu-Bibel aus den Achtzigern

Franziska und Elena kannten sich schon länger, bevor sie ihr Unternehmen mit dem selbstironischen Namen „Tofu Tussis“ gründeten.

„Wir waren mal zusammen im Asia Markt und haben da frischen Tofu gekauft. Wir fanden den total lecker, viel leckerer, als der, den man sonst so abgepackt bekommt. Wir haben damals nicht gewusst, wo die ganzen Zutaten dafür herkommen, dachten uns aber: „Das kriegen wir auch hin.“

Die beiden Berlinerinnen fingen an, online nach Rezepten zu suchen und zu recherchieren, ob es deutsche Bio-Sojabohnen gibt (Gibt es, hauptsächlich in Süddeutschland, mittlerweile aber auch in Brandenburg).

TofuTussis-Etiketten

Die ersten Tofu-Tests gingen teilweise ziemlich schief. Ein Buch aus den 80er Jahren half schließlich weiter. Die „Tofu-Bibel“ wird es liebevoll genannt und steht im Regal über dem Schreibtisch. Mittlerweile haben die zwei herausgefunden, dass alle kleinen Tofuhersteller in Deutschland damit angefangen haben. „Die Rezepte sind zwar kompliziert zu lesen, aber sie funktionieren.“

Nachdem der selbstgemachte Tofu nicht nur bei den beiden selbst gut ankam, sondern auch bei Freunden, entschlossen sich die beiden, daraus ein Geschäft zu machen.

Entscheidung und Start in die Selbstständigkeit

Sowohl Franziska als auch bei Elena hatten Lust, etwas neues anzufangen zu dieser Zeit. Zuvor haben beide im sozialen Bereich gearbeitet.

„Ich wollte gerne was handwerkliches machen, wo am Ende ein fertiges Produkt steht.  Man fängt morgens an, abends ist es fertig. Es zieht sich nicht über zwei Jahre hinweg.“

Für Franziska war es nicht die erste Selbstständigkeit, sie war schon immer nebenberuflich selbstständig, meist mit Projekten im Bereich soziale Arbeit. Einige Jahre betrieb sie außerdem mit Freunden  einen mobile Pizzeria auf Festivals.

Lebensmittelproduktion war für Beide allerdings neues Terrain.

Businessplan und Buchhaltung

„Wir haben auf einmal Ahnung von Dingen, mit denen wir uns noch nie vorher beschäftigt hatten, Landwirtschaft zum Beispiel, Aussaatzeiten und so weiter. Wenn einmal im Jahr die Ernte stattfindet, müssen wir uns festlegen, wieviel Sojabohnen wir brauchen für das kommende Jahr.“

Das war auch der Grund warum es dann doch auch mal einen Businessplan geben musste, wenn auch erst seit kurzem. Acht Tonnen Sojabohnen für 2016 sieht er vor.

Franzi: „Ich war ja teilweise schon mit der Urlaubsplanung fürs nächste Jahr überfordert. Und jetzt müssen wir auf einmal einschätzen, wieviel Soja wir für ein komplettes Jahr brauchen, denn es gibt dann einfach nichts mehr.“

Neben dem Businessplan ist auch die Buchhaltung ein notwendiges Übel für die beiden: „Buchhaltung ist ein ganz ganz schlimmes Thema bei uns, es ist ganz furchtbar. Wir konnten jetzt zum Glück einen großen Teil abgeben an eine Steuerberaterin, das gönnen wir uns jetzt. Was heißt das gönnen wir uns jetzt, es geht einfach nicht anders.“

Anfangs war Elena noch motiviert, sich selbst mit diesem Thema auseinanderzusetzen, machte eine zweitätgige Fortbildung bei der Gründerinnenzentrale – und gab dennoch irgendwann entnervt auf. Franziska plädierte von Anfang an für eine Steuerberaterin.

Mittlerweile schreiben die Tofu Tussis Rechnungen mit Debitoor, erfassen Ausgaben und nutzen es vor allem, um einen Überblick zu haben. Die Steuerberaterin hat Zugriff auf den Account, exportiert selbst die Buchhaltungsdaten und kümmert sich um alles weitere: „Wir geben immer fleißig alle unsere Einnahmen und Ausgaben ein, einfach nur für unseren Überblick. Und die Steuerberaterin macht dann über die Schnittstelle ihr Ding damit. Mehr wollen wir damit nicht zu tun haben.“

Ladentheke und Onlineshop

Während des Gesprächs geht die Tür auf, jemand bringt eine große schwarze Kunststoffbox herein. Eine der teuren Tofu-Versandkisten kommt zurück, 70 Euro kostet eine.

IMG_2171

Zu Beginn gab es auf der Website der Tofu Tussis auch einen Onlineshop. Den überregionalen Versand haben sie mittlerweile aber fast ganz eingestellt:

„Das wir gekühlt verschicken müssen, ist ein großes Problem. Mit der Post verschicken geht eigentlich gar nicht, nur per Express. Und das ist sehr teuer.“

Der frische Tofu hält sich nämlich im Gegensatz zum abgepackten, pasteurisierten nur etwa eine Woche. Daher ist der Vertrieb über einen Großhandel auch praktisch unmöglich: dort liegt ein Produkt wegen langer Wege und großem logistischem Aufwand oft erstmal zwei Wochen, bevor es überhaupt in die Regale kommt.

Das türkise Tofu-Mobil

Der meiste Tofu wird ohnehin direkt vor Ort verkauft: Seit Anfang 2015 hatten Franziska und Elena einen Stand auf dem Wochenmarkt auf dem Boxhagener Platz und einige kleine Bioläden verkauften ihre Produkte.

Seit Januar 2016 gibt es den Verkaufsstand direkt in der Markthalle 9, so dass Produktion und Verkauf unter einem Dach stattfinden. Passenderweise befindet sich die Tofu-Kühltheke in einem knallig türkisgrün gestrichenen Caravan.

IMG_2191

Geplant haben die Beiden außerdem eine Erweiterung des Sortiments: Aufstriche, Snacks und frische Sojashakes.

Und dann natürlich den Streetfood-Thursday in der Markthalle mitmachen.

 

www.tofutussis-berlin.de

 

Neueste Beiträge

Be First to Comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.