Ein eigenes Buch schreiben – ist das vielleicht dein geheimer Traum? Autorin Kia Kahawa hat den Schritt gewagt und 2016 ihren Debütroman erfolgreich veröffentlicht. Ihr gesammeltes Wissen gibt sie jetzt als Autorencoach weiter. Im Interview verrät sie, was ein gutes Buch ausmacht – und, worauf du beim Schreiben unbedingt achten solltest.
Kia, du coachst und schulst als Autorencoach angehende Autoren. Wie bist du auf diese Idee gekommen?
Vor etwa vier Jahren habe ich mit dem Schreiben angefangen und 2016 mein Debüt veröffentlicht. Ich habe unfassbar viele Fehler gemacht – die kann ich gar nicht zählen:
Mein Social Media Marketing richtete sich an die falsche bzw an gar keine Zielgruppe, mein Plot war zwar nicht fehlerhaft, aber ziemlich flach und ich hatte nicht einmal eine Ahnung, in welchem Genre ich “Die Krankheitensammlerin” einordnen sollte. Es ist ein Entwicklungsroman. Auch im Coverdesign und mit der Wahl des Lektors habe ich Fehler gemacht. Das bezeichne ich gerne als “try and error” Methode.
Unterm Strich hätte ich mir einfach einen Autorencoach gewünscht. So hätte ich von Anfang an vieles richtig(er) machen können und wäre von Anfang an mit mehr Professionalität gestartet.
Durch das alles, was ich gelernt habe und durch mein Netzwerk von Autoren wurde ich dann schlichtweg oft gefragt, wie man dieses und jenes verwirklichen oder verbessern könnte. Daraus entstand dann die Idee, neben meinem Korrektorat und Lektorat ein Coaching anzugeben.
Nehmen wir an, ich möchte mein eigenes Buch schreiben, vermarkten und verkaufen. Wie kannst du mir als Autorencoach dabei helfen? Was beinhaltet ein Coaching bei dir?
Als Autorencoach kann man alles coachen, was zum Autorenleben dazu gehört.
Es gibt beispielsweise das Schreibcoaching, das insofern über ein Lektorat hinausgeht, als dass ich mich darauf konzentriere, ein Manuskript analytisch auseinanderzunehmen und wiederkehrende Fehler und Herausforderungen aufzuzeigen. Im Coaching geht es um Show, don’t tell, Infodump, Schreibstil und viele weitere Werkzeuge der Schriftsteller, durch die ein Manuskript schon im Erstentwurf deutliche Qualitätssteigerungen bekommt.
Neben dem Schreibcoaching gibt es noch Exposé- und Lesungscoaching, die von meinen Abnehmern sehr gefragt sind.
Das Autorencoaching selbst ist dabei mehr als nur ein Überbegriff zu diesen drei Coaching-Varianten: In diesem allgemeineren Coaching sprechen wir über Social Media Marketing, Zielgruppenfindung, Verkaufstraining, Messeauftritte, Networking und Finanzen.
Das klingt sehr facettenreich. Einer deiner Schwerpunkte ist Schreibcoaching. Wie ist ein „guter“ Roman aufgebaut und geschrieben?
Diese Frage stellt sich wohl jeder Romanautor, und ich bin mir ziemlich sicher, dass selbst die Profi-Autoren, die für große Verlage schreiben, keine klare Antwort auf diese Frage haben. Aber eine Annäherung kann ich versuchen.
Ein guter Roman hat mit Konflikten zu tun. Es gibt einen Kernkonflikt, der den großen Spannungsbogen zeichnet und viele kleine Konflikte, die jedem Kapitel eine Art Daseinsberechtigung geben. Jede Szene muss relevant für die Geschichte sein, damit keine Langeweile aufkommt.
Besonders wichtig finde ich, dass die Charaktere lebendig und durchdacht gestaltet werden, dass Autor wie auch Leser felsenfest davon überzeugt sind, sie persönlich zu erkennen. Da erkenne ich tatsächlich häufig Defizite bei meinen Coaching-Abnehmern. Es ist wichtig, die Figuren tief zu gestalten und sich beispielsweise zu Vergangenheit, familiärem Umfeld der Kindheit und Überzeugungen Gedanken zu machen.
Dann muss der Roman eine Botschaft haben. Die Psychogenese, also die persönliche Entwicklung des Protagonisten, ist dabei meiner Meinung nach extrem wichtig. In keinem guten Roman, den ich jemals gelesen habe, war der Protagonist am Ende mit denselben Meinungen, dem gleichen Umfeld und in der identischen Lebenssituation wie am Beginn der Geschichte.
Das sind aber nur extrem wenige Eindrücke, die einen guten Roman ausmachen. Ich könnte diese Liste ewig weiter ausführen oder gleich mal ein Manifest darüber schreiben. Vielleicht tue ich das, danke für den Anstoß zu dieser Idee!
Das habe ich mir schon fast gedacht, dass es kein Patentrezept für einen guten Roman gibt. Aber wie sieht das bei Sachbüchern aus? Bestimmt leichter.
Puh, das ist schwierig. Ja, es ist einfacher, ein gutes Sachbuch zu schreiben, weil der Mensch es viel strukturierter begreift und Charakterentwicklung, Sympathie oder Spannungsbogen hier kaum eine Rolle spielen. Ich wage mal zu behaupten, dass bei Sachbüchern vor allem der Zahn der Zeit wichtig zu beachten ist und dass man das Schreiben von Sachbüchern “handwerklicher” lernen kann als das Schreiben von Belletristik.
Kann auch ein Sachbuchautor von deinem Schreibcoaching profitieren?
Sachbücher sind extrem themenabhängig. Ich weiß, wie ein Exposé für Sachbücher auszusehen hat und wie man die Verlags- beziehungsweise Agentensuche gut angeht. Auch beim Vermarkten über Landing Pages und Content Marketing kann ich Hilfestellungen bieten. Aber bisher habe ich sämtliche Coaching-Bewerbungen zu Sachbüchern ablehnen müssen, weil ich mich mit dem Thema zu wenig auskannte oder nicht wohl gefühlt habe.
Von Autoren häufig ungeliebt: Das Exposé. Wofür wird es benötigt? Und was macht ein gutes Exposé aus?
Ich liebe Exposés! Das ist mein Steckenpferd, und ich habe gleich mit meinem allerersten eigenen Exposé einen Verlag von meinem Manuskript überzeugen können. Man benötigt ein Exposé im Prinzip nur, um Verträge im Zusammenhang mit dem Manuskript auszuhandeln. Allen voran gibt es da den Verlagsvertrag: Ein Manuskript stellt man mit einem drei bis vierseitigen Exposé vor. Aber auch wenn man Selfpublisher ist, kann ein Exposé für Kooperationszwecke oder Arbeiten mit Filmteams hilfreich sein.
Ein gutes Exposé besteht aus vier Elementen. Gesehen habe ich in diesem Jahr beim Verlagsspeeddating auf der Leipziger Buchmesse auch häufig Exposés mit fünf Elementen. Der Aufbau war aber bei allen identisch:
Zunächst kommt das Titelblatt. Hier wird geklärt, worum es geht, wer du als Autor bist und in meinem Fall – kleiner Geheimtipp – auch der Unique Selling Point, der USP, geklärt.
Auf Seite zwei geht es dann mit dem eigentlichen Inhalt los. Allgemeine Daten zu Umfang, Genre, Zielgruppe und Vergleichstiteln stehen oben, darunter kommt der Pitch. und der Pitch muss sitzen, das ist extrem wichtig.
Darauf folgt die Inhaltsangabe. Sie ist bei mir meistens zwei Seiten lang, da meine Werke bisher nur zu unserer Zeit in unserer Welt gespielt haben. Hat man ein kompliziertes Setting wie beispielsweise bei einer Utopie, die eine ausgeklügelte Version der Zukunft darstellt, kann die Inhaltsangabe auch drei Seiten lang sein.
Das optionale fünfte Element ist die Sektion “Über den Autor”. Darin soll beschrieben werden, warum du als Autor dieses Buch geschrieben hast und soll den Verlag davon überzeugen, dass du von deinem Manuskript überzeugt bist.
Ich denke, das ist alles, was man im Groben über ein gutes Exposé sagen kann. Aber eigentlich geht es viel mehr in die Tiefe und man muss sich weitreichende Gedanken machen und allein über den Pitch dreißig bis vierzig Entwürfe starten, bis man die perfekte Version gefunden hat.
Als Autor muss man häufig auch vor Verlagen sprechen oder Lesungen halten. Wie sieht ein Lesungscoaching bei dir aus?
Nun, also zunächst sei gesagt, dass das zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Ein Verkaufsgespräch funktioniert ganz anders als ein Lesungscoaching.
Wenn ich einen Coaching-Abnehmer auf ein Gespräch mit Agent oder Verlag vorbereite, geht es sehr viel um das Verhandeln auf Augenhöhe. Autoren sind keine kleinen Bittsteller, die beim großen Verlag unterkommen wollen, sondern haben ein Produkt erschaffen, das sie dem Verlag anbieten wollen. Man positioniert sich gut, wenn man den Markt erforscht hat und etwas zu Zielgruppe oder Relevanz in der aktuellen Zeit sagen kann – ohne dabei aber besserwisserisch die Kompetenzen der Verleger zu umgehen.
Im Lesungscoaching positioniert man sich als Unterhalter, der eine Vielzahl von Menschen informiert, belustigt, zum Nachdenken anregt und / oder einfach nur unterhält. Es geht im Vergleich zum Verhandeln viel mehr darum, wie man etwas betont, wie man mit Spannung und Witz umgeht und in welche Stücke eine Lesung gegliedert ist. Mache niemals den Fehler, bei einer 30-minütigen Lesung volle 25 Minuten durch zu lesen, schon gar nicht eine einzelne Stelle!
Warum sollte man ein Lesungscoaching bei dir buchen?
Da ich von Haus aus eigentlich Musikerin bin, habe ich Erfahrung mit Gesangsunterricht und Stimmübungen sowie mit Auftritten auf ziemlich großen Bühnen. Das spielt mir extrem in die Karten und es macht mir ungeheuren Spaß, dieses eigentlich branchenfremde Wissen einzuschleusen und mir zu Nutze zu machen. Ich würde behaupten, das macht mich als Lesungscoach besonders.
Außerdem organisiere ich mit meiner Regionalgruppe vom Autorenstammtisch Hannover Lesungen in der niedersächsichen Hauptstadt. Daher bringe ich Erfahrung mit, was die Honorarverhandlung mit dem Veranstalter, Equipmentorganisation und Moderation von Lesungen angeht.
A propos Honorarverhandlung – die Finanzen sind immer ein wichtiges Thema. Welche Finanztipps hast du als Autorencoach für angehende Autoren?
Nehmt euch ernst.
Es ist ein Unding, kostenlose Arbeit zu leisten und somit Preise zu drücken und sich selbst unter Wert zu verkaufen. Selbst, wer “nur” Hobby-Autor ist, kann ein bisschen Geld mit dem Schreiben verdienen. Wenn ich höre, dass Autoren kostenlose Lesungen halten, wobei der VS in ver.di (unsere Gewerkschaft grob gesagt) ein Lesungshonorar von 300,00 € als Minimum empfiehlt, sehe ich immer wieder das große Problem, das die Buchbranche derzeit hat.
Wenn ich Finanztipps gebe, die über “Autoren an die Steuer” hinausgehen, beschäftige ich mich außergewöhnlich oft mit Mindsetting und Selbstwert-Coaching. Häufig sprechen wir erst danach über Pläne und Ziele, Investitionen und Risiken.
Danke für all die Eindrücke, die du uns gegeben hast. Es freut mich, zu sehen, wie du mit beiden Beinen fest in der Buchbranche steckst und dein Wissen weitergibst. Zum Abschluss würde ich noch gerne wissen, wer dich inspiriert: Welchen Autor schätzt du besonders?
Ohje. Du stellst die Frage zwar in der Einzahl, aber ich möchte sie in der Mehrzahl beantworten. Ich schätze François Lelord, weil ich mich in dem französischen, leicht kindlichen Schreibstil völlig verlieren und der Geschichte nachhängen kann. Seine Themen sind psychologisch, philosophisch und einfach nur schön, ohne dabei an Tiefgang zu verlieren. Das würde ich mir auch für meine Bücher wünschen.
Aber Becky Chambers, die Autorin von “Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten” hat mich mit ihrer Charakter- und Beziehungstiefe und dieser gigantischen Sympathie und Authentizität ihrer Figuren vom Hocker gehauen. Dafür sind ihre Plots eher flach.
Ein Plotmeister hingegen ist Neal Shusterman mit seiner “Scythe”-Trilogie. Ich gestehe, dass ich gerne eine Mischung aus diesen drei Autoren wäre – und dann schreibe ich eines Tages den eierlegende Wollmilchroman.
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