Berlin-Südkreuz bedeutet für die meisten Menschen entweder Ikeabesuch oder Bahn bzw. Fernbus Richtung Süden. Verlässt man den Bahnhof aber zur anderen Seite, steht man fast unmittelbar vor einigen großzügigen Backsteingebäuden, die heute Ateliers beherbergen. Unter anderem das der Designerinnen Valérie und Caroline-Marine Hebel und ihrem Taschenlabel Marin et Marine.
An diesem sonnigen Tag ist zwar der schönste Platz auf den Stufen vor dem Eingang, aber ein Blick ins Innere natürlich aufschlussreicher. Auf dem langen Tisch im breiten Gang liegen Nudeln und Gemüse bereit – oft kochen die Mieter und Mieterinnen eines Ateliers für die Anderen. Heute sind Caroline und Valérie dran.
Weiter gehts, vorbei an einem Kicker und Vintage-Sesseln, ins eigentliche Atelier der Zwillingsschwestern.
Wichtigste Einrichtungsgegenstände: Ein großes Metallregal voller Boxen mit Taschen, beschriftet mit den verschiedenen Farben und Mustern. Und ein Arbeitstisch am Fenster.
Fertigung in Bayern
Gefertigt werden die Taschen allerdings seit kurzem nicht mehr direkt vor Ort von Caroline und Valérie, sondern in einer Manufaktur in Bayern – die Nachfrage wurde so groß, dass es nicht mehr machbar war für den Zwei-Frau-Betrieb. In Berlin wird nun nur noch letzte Hand an die Stücke gelegt, Ösen angebracht und Labelschildchen drangehängt, verpackt und versandt.
2013 haben die beiden ihr Taschenlabel Marinetmarine gegründet. Hauptprodukt: schlichte, schöne, robuste Seesäcke. Eine simple Form, in vielen verschiedenen Farb- und Musterkombinationen. Außerdem entstehen in Zusammenarbeit mit einer Berliner Ledermanufaktur Taschen und Accessoires aus Leder.
Dass die Schwestern irgendwann mal zusammenarbeiten wollen, war schon lange klar – und bot sich auch an. Valérie hat Produktdesign in Aachen studiert, Caroline Graphikdesign in Wiesbaden.
Die Anfänge: Stoffe färben in der WG-Badewanne
„Wir haben damals zusammen in einer WG gewohnt und haben angefangen mit Stoffen, die wir in der Badewanne gefärbt haben.“
Und die anderen Mitbewohner? „Wir haben das immer eher diskret gemacht, meist nachts, und dann natürlich danach die Wanne geschrubbt“, lachen Beide. „Aber auch die Arbeit an den Taschen, das laute Ösen reinhauen mit dem Hammer, die Nachbarn müssen uns gehasst haben. Aber irgendwie hat sich nie jemand beschwert.“
Und wieso haben es ihnen ausgerechnet die Seesäcke angetan?
„Ich habe schon immer genäht“, erzählt Caroline, „so vor 7, 8 Jahren im Studium war ich eine Zeit lang besessen von der Idee den perfekten Seesack zu nähen. Als ich dann meinen Abschluss gemacht habe, geriet das wieder eine Weile in Vergessenheit. Aber hier in Berlin hat Valérie dann die Idee wieder aufgegriffen. Uns fiel auf: Berlin ist eine Fahrradstadt, die Leute brauchen Taschen, die gleichzeitig schön und praktisch beim Radfahren sind.“
Gut aussehen auf Blog und Instagram
Die fertigen Taschen kamen immer erstmal mit in den Urlaub bei den französischen Großeltern, die in der Bretagne an der Atlantikküste wohnen – für schöne Fotos in der natürlichen Umgebung eines Seesacks: am Strand oder auf einem Segelboot.
„Unser Faible für die Seesäcke und generell Maritimes kam bestimmt auch von diesen Sommern in Frankreich am Meer.“
Über die Bilder auf ihrem Blog und ihrem Instagram-Account bekamen die beiden Aufmerksamkeit für ihr Label. So wurden sie etwa von den Machern von FvF, Freunde von Freunden, interviewt.
Offline sind die Zwei ebenfalls präsent: „Unsere Taschen werden neben unserem Onlineshop auch im Einzelhandel verkauft. Einfach mal hingehen, ansprechen, vorstellen, so hat meist der Kontakt zu den Läden funktioniert.“
Vor Marinetmarine haben Valérie und Caroline studiert bzw. fest angestellt gearbeitet. Also ein kompletter Sprung ins kalte Wasser für beide, das mit dem eigenen Label?
Designstudiengänge sind in der Regel sehr fokussiert auf Eigeninitiative und eigenständiges Arbeiten, erzählen die beiden. Daraus nahmen beide viel mit. „Nur diese ganzen Bürokratiesachen – damit kämpfen wir immer noch. Das ist so learning by doing, bei jeder neuen Sache müssen wir uns auch erstmal damit auseinandersetzen.“
Caroline hatte außerdem vorher bereits im Bereich E-Commerce gearbeitet und bei Kaufdichglücklich Webdesign und Fotografie für den Onlineshop übernommen – „So war ich immerhin nicht völlig ahnunglos!“
Familienunternehmen
Ist es cool, ein Label mit der eigenen Schwester zu machen, oder nervt es auch manchmal? Lachen. „Beides! Wir denken so gleich, dass wir genau wissen, wie man die andere auf die Palme bringen kann, aber genau deshalb können wir auch nach einem heftigen Streit schnell wieder weitermachen und produktiv zusammenarbeiten. Wir haben den gleichen Geschmack und kommen immer auf einen Nenner.“
Wie arbeiten die Schwestern zusammen?
„Die Designs entwickeln wir gemeinsam. Wir besprechen erstmal die Ideen, und dann geht es an die Umsetzung, an den Prototypen. Alleine wäre ich da glaube ich unsicherer, so bekommen wir immer gegenseitig Feedback voneinander und das bestärkt und hilt, Ideen weiterzuentwickeln.“
Aber abgesehen davon merkten die Beiden auch bald, dass sie manche Aufgaben aufteilen müssen.
Dabei ergänzen sich die Ausbildungswege der Beiden gut: Graphikdesignerin Caroline kümmert sich um die digitale Umsetzung, das Webdesign, den Onlineshop. Produktdesignerin Valérie ist zuständig für die komplette Produktion: Materialsuche, Lieferanten, Zusammenarbeit mit den Manufakturen.
Nur in einer WG wohnen die Schwestern schon lange nicht mehr gemeinsam: Nach einem halben Jahr gemeinsamen Arbeitens und Wohnens „war es Overkill“, lachen Beide.
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